Einheit 5 - 2010-05-12

From Informatik & Geschlecht 2010
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Martin hat etwas über Frauen in der Informatik vorgetragen.

Davor gab es eine allgemeinere Diskussion über Poststrukturalismus und der Frage, ob Theorie normativ oder moralisch sein soll. Was heißt überhaupt normativ? Und was Poststrukturalismus? Gibt es so etwas wie das Gemeinsame des Poststrukturalismus, und ist es der Relativismus?

Ein kurzer Kommentar von mir zu dem Thema:

  • Es ist sinnvoll, einen Text oder eine Reihe von Texten im Hinterkopf zu haben, wenn man über etwas wie den Poststrukturalismus oder die Frauenforschung spricht.
  • Wir haben von Freud gesprochen, und dass er von Judith Butler "falsch" interpretiert wurde. Was meint dieses "falsch"? Es deutet an, dass hinter dem Text...
    • entweder eine ursprüngliche Bedeutung (zum Beispiel die von Freud intendierte) liegt, die man zwar nie erreichen, aber zumindest anstreben soll,
    • oder dass Freud eine Tradition (von FreudianerInnen) hinter sich hat, von der sich die Interpretation von Judith Butler unterscheidet bzw. mit der sie sich widerspricht.
  • Wenn wir jemanden (oder uns selbst) zugestehen, etwas bisher Unbeachtetes an einem Text oder eine Situation zu entdecken, dann sind beide vermutlich nicht das Maß, das man an diese Beleuchtung legen kann. (Ich muss zugeben, ich habe weder Butler noch Freud gelesen, ich greife nur unsere Diskussion auf)
  • Wie sollen wir diese Beleuchtung aber beurteilen? Ein paar Versuche:
    • Widerspricht er meinen Erlebnissen und Vorstellungen? Gut, andere Leute haben andere Erfahrungen gemacht, daher sollte man den Wert dieser Urteile nicht überschätzen und doch sind wir in diese Kontexte des Sozialen, Kulturellen, des Persönlichen usw. eingebettet.
    • Widerspricht der Text sich selbst? Sind die Unterscheidungen, die er aufmacht und die Wendungen der Sprache, von einer Art, die den Text selbst de-kon-sturieren würden?
      • Die Bindestriche setzen Akzente, einerseits auf das de, und andererseits auf das con. Ich zerstöre etwas und diese Zerstörung ist ja selbst nicht nur auf das zu Zerstörende bezogen, sondern erschafft (mitunter aus diesen Trümmern) etwas Positives, das selbst wieder der Zerstörung ausgesetzt ist. Ich spreche hier von der Sprache und nicht von anderen Tätigkeiten. Wenn ich etwas kritisiere, spreche ich und das Sprechen hat ja nicht nur den Objektbezug auf das zu kritisierende, sondern ist immer schon der Kritik ausgeliefert.
  • Ein Begriff trifft es vermutlich ganz gut: Texte sind deutungs-offen. Jeder Versuch, für eine bestimmte Deutung eine Vorrangstellung zu beanspruchen, geht schief, weil man herausstellen kann, dass auch diese Deutung unter einer ganz bestimmten Perspektive zu Selbst-Widersprüchen führt. Die Hoffnung, ein für alle mal etwas gefunden zu haben, das nicht mehr dekonstruiert werden kann (um im Jargon zu bleiben), ist vermutlich nicht aufrecht zu erhalten. Es stabilisieren sich innerhalb bestimmter Kontexte und Perspektiven Deutungen (und wie könnten wir ohne diese Deutungen leben?), doch der Prozess der (De)Stabilisierung lässt sich nicht verhindern.

Ein Zitat von einem, den man dem Poststrukturalismus zurechnen könnte und der ein interessantes Verständnis von Wahrheit hat:

"Im Grunde ist eine Wahrheit die materielle Spur des ereignishaften Zusatzes in der Situation. Sie ist also ein immanenter Bruch. “Immanent”, weil eine Wahrheit in der situation auftritt (fr. procède) und nirgendwo sonst. Es gibt keinen Himmel der Wahrheiten. “Bruch”, weil das, was das Auftreten der Wahrheit – das Ereignis – möglich macht, weder in den Gewohnheiten der Situation lag, noch sich durch die etablierten Kenntnisse denken ließ. (Badiou: Ethik. Versuch über das Bewusstsein des Bösen, Wien:2003, S.63f.)

Mehr darüber auf einem Blog-Eintrag von mir, den ich letztes Semester in Anschluss an eine Vorlesung geschrieben habe.--Andyka 22:54, 13 May 2010 (UTC)